»Kommt es doof, wenn wir sagen, dass es uns gut geht und wir die Gemeinschaft genießen?« – So die spontane Reaktion auf meine Frage, ob die bei uns gestrandeten Touristen etwas zur Situation schreiben würden.
Doch, es geht uns gut. – Gott sei Dank!
Gott sei Dank – haben wir aktuell eine Vorwarnzeit, die es ermöglicht, dass wir uns auf den Alarm einstellen und ruhig den nächsten Schutzraum erreichen können.
Gott sei Dank – gab es in unserer unmittelbaren Umgebung (noch?) keine Einschläge von Raketen oder Raketentrümmern.
Gott sei Dank – haben wir ausreichende und gut ausgestattete Schutzräume, die es uns ermöglichen, unser Haus den Menschen in unserer Nachbarschaft zu öffnen.
Gott sei Dank – haben wir gelernt, auch mit dieser Situation so umzugehen, dass sie uns nicht lähmt.
Hier ein paar Stimmen unserer »Touristen«, die uns vor Ort ganz praktisch unterstützen:
Michael und Michaela:
Am Sonntag, 8. Juni sind wir voller Vorfreude im Gästehaus in Shavei Zion angekommen, um unsere Tochter zu besuchen, die seit Anfang September dort ihr Volontariat macht. Nach einigen schönen Tagen mit Ausflügen nach Haifa, Akko und an den See Genezareth wollten wir am Samstag noch für einige Tage gemeinsam nach Jerusalem fahren. In der Nacht auf Freitag um 3.00 Uhr wurden wir wegen der ersten Vorwarnung aus unseren Betten geholt und in den zum Glück sehr komfortablen Schutzräumen versammelt, wo wir seither zur Vermeidung von manchmal mehrfachen nächtlichen Schlafunterbrechungen unsere Betten aufgeschlagen haben. Wegen der ungewissen Lage unseres stornierten Rückflugs haben wir die Weiterreise gecancelt und genießen die gute Gemeinschaft und Versorgung in Shavei Zion. Kurzfristig haben wir nun sogar noch vor unserem eigentlich geplanten Rückflug einen Platz im ersten Rettungsflug des Auswärtigen Amtes erhalten. Somit endet unser Aufenthalt mit einer Gebetserhörung.

Samuel:
Ich bin seit 2 Monaten in Shavei Zion und arbeite hier mit. Die Arbeit im Garten und in der Haustechnik macht viel Freude und ist sehr abwechslungsreich. Seit dem Beginn des Irankriegs hat sich bei mir nicht viel geändert, außer dass wir zwei- bis dreimal am Tag (oder in der Nacht) in den Schutzraum müssen. Die Gemeinschaft mit den Menschen, die jetzt bei uns wohnen, genieße ich und freue mich auch über die praktische Unterstützung.

Helmut:
Ich bin im Gästehaus »Beth El« von Zedakah untergekommen, da der Schutzraum in meiner ursprünglich gemieteten Ferienwohnung nicht ausreichend Sicherheit bot. Ich bin Historiker aus Nashville, Tennessee, und zum ersten Mal in Israel, um Archivarbeiten in Shavei Zion durchzuführen. Seit einigen Tagen befindet sich Israel in einer direkten militärischen Auseinandersetzung mit dem Iran. Es ist eine Herausforderung, sich auf die häufigen Aufenthalte im Schutzraum einzustellen. Gleichzeitig bin ich tief beeindruckt von der großen Anteilnahme und Sorge, die mir viele Israelis entgegenbringen – das berührt mich sehr. Auch im Beth El war das von Anfang an spürbar: Ich wurde herzlich aufgenommen und willkommen geheißen. Im Gespräch beim Frühstück erfahre ich viel über diese außergewöhnliche Einrichtung und ihre bedeutende Arbeit mit Holocaust-Überlebenden in der Nachkriegszeit. Für mich als Historiker ist das besonders faszinierend.
Tobias und Kathrin:
Meine Frau und ich haben uns 2016 bei Zedakah kennengelernt und waren 2019 das letzte Mal in Israel, um meinen Bruder zu besuchen. Letztes Jahr wollten wir eigentlich meine Schwester besuchen, was aber leider nicht geklappt hat. Deshalb wollten wir dieses Jahr für zwei Wochen nach Israel und haben auch meinen Schwager mitgenommen. Nachdem unser Hinflug mehrmals annulliert wurde, dachten wir kurz, dass es vielleicht doch nicht sein sollte. Wir fanden aber schließlich noch einen Flug und sind am 1. Juni in Israel gelandet. Hier waren wir zunächst ein paar Tage in Jerusalem, dann für knapp eine Woche in Shavei Zion bei Zedakah, bevor wir am 10.6. ans Tote Meer gefahren sind.
Am 12. Juni las ich von einem möglichen Angriff Israels auf den Iran, dachte mir aber nichts dabei und ging fest davon aus, dass wir unseren Rückflug am 14. Juni um 5:40 Uhr ohne Probleme antreten könnten. In der Nacht zum 13. Juni, gegen 3 Uhr, wurden wir von einer Sirene aus dem Schlaf gerissen. Unsere Warn-App teilte uns auf Hebräisch mit, dass Israel den Iran angegriffen hatte und nun einen Gegenschlag erwarte. Da wir sowieso nicht genau wussten, was wir mit dieser Nachricht anfangen sollten, haben wir uns wieder schlafen gelegt.
Am nächsten Morgen mussten wir wie geplant aus unserem Hotel auschecken. Wir versuchten vergeblich, unsere Mietwagenfirma zu erreichen, da wir das Auto um 12 Uhr am Flughafen abgeben sollten. Gleichzeitig lasen wir auf der Internetseite des Ben-Gurion-Flughafens, dass dieser geschlossen sei und man nicht dorthin reisen solle. Das Hotel wollte uns aber auch nicht länger beherbergen. So entschieden wir uns, trotzdem in Richtung Tel Aviv zu fahren, um wenigstens unser Auto zurückzugeben.
Parallel dazu wurden wir von den Mitarbeitern in Shavei Zion gefragt, wie es uns gehe, und ein Platz in deren Schutzraum wurde uns angeboten. Diese Nachricht war ein Segen. Wir mussten uns keine Sorgen mehr machen, wo wir unterkommen würden, denn es schien immer unwahrscheinlicher, dass wir unseren Flug am 14. noch bekommen würden. Da auch alle Mietwagenbüros geschlossen waren, konnten wir das Auto behalten und fuhren direkt nach Shavei Zion, wo wir mit offenen Armen empfangen wurden.
Wir sind unendlich dankbar, hier sein zu dürfen, und fühlen uns sehr sicher. Die Alarme, die uns jede Nacht aus dem Schlaf reißen, empfinden wir eher unangenehm als beängstigend. Im Gegensatz zu vielen anderen haben wir ja immer einen Schutzraum in unmittelbarer Nähe. Jetzt nutzen wir die Zeit und unterstützen etwas bei den anfallenden Aufgaben. Auch wenn wir die geplanten Helfer aus Deutschland weder qualitativ noch quantitativ ersetzen können, sind wir froh, wenigstens ein bisschen von dem zurückgeben zu können, was wir hier bekommen.
Unsere Verpflichtungen in Deutschland konnten wir regeln und sind daher nicht auf einen Rettungsflug angewiesen. Da gibt es sicher Menschen, die diese Plätze dringender benötigen. Ohnehin hatten wir schon oft überlegt, mal einen Kurzeinsatz bei Zedakah zu machen. Jetzt haben wir die Gelegenheit dazu. Wir vertrauen aber darauf, dass Gott uns gerade hier gebrauchen kann und uns zeigen wird, wann der richtige Zeitpunkt ist, um wieder nach Hause zu fliegen.

Im nächsten Bericht werden manche unserer israelischen Gäste zu Wort kommen, die gerade bei uns untergebracht sind.
Vielen Dank für alle Gebete. Wir wissen uns eingehüllt in Seinen Frieden, der höher ist als alle menschliche Vernunft.