Die »Nachbarschafts-Familie« im Beth El

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Jeden Abend füllt sich unser Haus mit Nachbarn, die die Nacht in unseren Gästezimmern bzw. den Schutzräumen verbringen. Zur Zeit sind das zwischen 25 und 30 Personen zwischen drei und 75 Jahren. Die meisten von ihnen verlassen uns morgens nach einer Tasse Kaffee und einem kurzen Gespräch, um ihrem persönlichen »Alltag« (wenn man davon gerade sprechen kann) nachzugehen, um abends wieder zurück zu kommen. Wir sind mittlerweile eine Familie geworden. Drei von ihnen kommen hier zu Wort.

Gali:

Ich bin fast zwölf Jahre alt und lebe in Shavei Zion, im Norden Israels. Geboren wurde ich in New York und bin mit meinen Eltern nach Israel ausgewandert, als ich sechs Jahre alt war. 

Gali und Iris.

Ich klettere sehr gerne, tanze Hip-Hop und verbringe Zeit mit meinen Freunden. In zwei Wochen geht meine Grundschulzeit zu Ende, aber leider wird es vermutlich keine Abschlussfeier für die sechste Klasse geben, auf die ich mich schon so gefreut hatte. Das macht mich sehr traurig. Aber ich bete, dass es vielleicht einen Waffenstillstand gibt oder dass der Krieg bald endet und dass ich mich von den Lehrern und der Schule verabschieden kann. 

In den letzten zwei schwierigen Jahren, in denen mein Alltag sehr gestört wurde, bin ich sehr dankbar, dass es »Zedakah Beth El« gibt – das warme und großzügige Zuhause, das seine Türen für alle hier im Ort öffnet. Diese Woche ist sogar die Arztpraxis wieder hier eingezogen. 

Im Beth El gibt es liebenswerte Menschen, die alles zum Wohle unserer Gemeinschaft tun. Meine Familie und ich sind bereits zum zweiten Mal im Beth El zu Gast. 

Wir haben ein eigenes Gästezimmer, das sehr gemütlich ist. Wir fühlen uns sicher in der Nähe dieser Menschen und den anderen Gästen.

Es gibt komfortable und angenehme Schutzräume und wir gehen dorthin, wenn Raketenalarm ist – zurzeit jeden Tag und jede Nacht. Da ich dort nicht alleine bin, fühle ich mich gut. Das Gefühl der Sicherheit ist das Wichtigste für mich. 
Dank an Beth El. Wie gut, dass ihr hier seid und uns erlaubt, bei euch zu sein.

Inbal:

Ich lebe seit drei Jahren mit meinem Mann Shachar und unserem Sohn Noam (fast 13) in Shavei Zion. Am Samstag, dem
7. Oktober 2023, wachten wir vom Geräusch von Kampfjets auf – etwas, das während des Schabbats nie vorkommt, es sei denn, es passiert etwas Schlimmes, und das tat es.

Die Befürchtung im Ort war, dass die Hisbollah von Norden her angreifen würde. Alle waren nervös und überlegten die nächsten Schritte. Die Gemeinschaft im Ort war erstaunlich und jeder versuchte zu helfen. Ich tat mich sehr schwer mit dieser Situation: Wir waren mit unserem in Australien geborenen Sohn erst vor einem Jahr zurück nach Israel gekommen. Er war noch dabei, sich in Israel einzuleben, und einen Krieg (ohne Schutzraum im Haus) wollten wir ihm nicht zumuten. Zusammen flogen wir deshalb für einige Zeit nach Berlin.

Als wir nach Israel zurückkehrten, fühlte es sich hier relativ sicher an. Vieles in der Zeit bis Januar 2025 ist in meiner Erinnerung verschwommen, aber ich erinnere mich daran, dass ich bei der Eskalation an der Nordgrenze (Sommer/Herbst 2024) im Beth El anfragte, ob wir ihren Schutzraum mitbenutzen dürften, und gleich ein Zimmer angeboten bekam. Ich erinnere mich auch an das Gefühl, einen sicheren Hafen zu erreichen, sobald wir durch die Eingangstür gingen. Dieses Gefühl habe ich immer noch.

Seit Beginn dieses Jahres fühlte es sich an, als würde sich das Leben wieder normalisieren. Die Schule und Geschäfte öffneten wieder, gesellschaftliche Zusammenkünfte konnten uneingeschränkt stattfinden. Und doch war es eine andere Art von Normalität. Jede Veranstaltung begann mit einer Sicherheitseinweisung und einem gemeinsamen Gebet für die schnelle und sichere Rückkehr der Geiseln und die Sicherheit unserer Soldaten. Die Schule wurde verlegt, da die alte im Krieg evakuiert und beschädigt worden war. Zu den täglichen Entscheidungen gehörten jetzt Fragen wie: Gibt es für die außerschulische Aktivität einen geschützten Bereich? Wird diese Fluggesellschaft im Falle einer weiteren Eskalation fliegen? Wie viel Lebensmittel sollten wir lagern? Können beide Elternteile mehr als 30 Minuten entfernt sein? Nicht Angst, aber bewusste Entscheidungen und Dankbarkeit für das alltägliche Leben.

Eine meiner wertvollsten Erinnerungen aus dieser Zeit ist die an meinen Sohn und seine Freunde, die bei der ersten Nachkriegs-Jam-Session in einem nahegelegenen Kibbuz spielten. Die Energie war unbeschreiblich – eine Mischung aus Befreiung, Widerstandsfähigkeit und Gemeinschaft.

Am Donnerstagabend änderte sich dann wieder alles. Die Unsicherheit kehrte zurück. Natürlich rief ich gleich wieder im Beth El an. Die Zedakah-Familie empfing uns wieder mit offenen Armen. Wir sind nicht allein. Mehrere Familien sind jetzt mit uns hier. Einige treffen wir abends. Die Gemeinschaft gibt uns Kraft. Mehrmals in der Nacht werden wir von Raketenalarm geweckt und wir machen uns auf den Weg in den Schutzraum – wo die meisten Kinder bereits schlafen. Matratzen und Decken sind auf dem Boden ausgebreitet.

Da ich viele Jahre im Ausland gelebt habe, weiß ich, wie hilflos man sich fühlt, in einer Krise weit weg zu sein. Auch wenn die Dinge wieder unsicher sind – die Bunker sind offen, viele Geschäfte sind zu, die Straßen leer –, kann ich sagen, dass wir die Möglichkeit hatten, das Land zu verlassen.

Dieses Mal haben wir uns entschieden zu bleiben. Wir sind müde. Aber es wird gut werden.

Iris:

Ich lebe mit meiner Hündin Gaia in Shavei Zion. Mein Zuhause ist wunderschön, direkt am Meer und in der Nähe einer archäologischen Stätte. Allerdings habe ich dort keinen Schutzraum, was aktuell wichtiger ist als der Meerblick …

So rannte ich in den ersten Kriegstagen mitten in der Nacht in den öffentlichen Bunker. Manchmal zweimal in der Nacht. Das ist sehr beängstigend, v. a. wenn man alleine wohnt. Die Gedanken, was passieren würde, wenn … haben mich sehr beunruhigt.

Dann kam die Wende. Die freundlichen Menschen vom Beth El öffneten mir und anderen Bewohnern Shavei Zions ihr Zuhause und ihre Herzen. Von dem Moment, als ich hier ankam, fühlte ich mich sofort zu Hause, sicher und geliebt.

Ich bekam ein schönes und sauberes Zimmer, das sich direkt neben einem Schutzraum befindet. Wenn jetzt nachts die Sirenen heulen, komme ich hierher und verbringe die Zeit bis zur Entwarnung gemeinsam mit anderen Menschen. Das gibt mir Kraft, weiter zu machen. Die Atmosphäre hier ist einfach besonders.

Auf jeder Etage gibt es eine schöne Wohnzimmerecke. Dort zu sitzen und an all die Holocaustüberlebenden zu denken, die hier schon gesessen haben – an ihre Geschichte des Überlebens –, rührt mich zu Tränen und ermutigt mich.
Das Gebäude selbst ist von einem schönen Garten umgeben. Alles ist sauber, ordentlich, gemütlich, entspannend – kurz gesagt, ein Paradies. Ich bin der Nächstenliebe von Beth El und allen großartigen Menschen, die uns unterstützen, unendlich dankbar.

Mögen sie weiter Gott lieben und ihm treu dienen.