Von Judith Rentschler aus Shavei Zion
Unser Gelände verwandelt sich nachmittags in einen Kinderspielplatz. Mit Roller, Bobbycar und Inlinern fahren die Nachbarskinder im Hof um die Wette, im Garten wird geschaukelt, mit Bällen gespielt und mit den Hühnern „gegackert“. Es wird gelacht und geplappert, nach einem Sturz auch mal kurz geweint. Babysitter und Mütter unterhalten sich auf der Hollywoodschaukel.
Genauso war es vor drei Wochen auch noch in den Kibbuzim am Rand des Gazastreifens – ca. 170 km Luftlinie von uns entfernt. Heute klingt es dort wie in Jeremia 31,15: „So spricht der HERR: Horch! In Rama hört man Totenklage, bitteres Weinen. Rahel beweint ihre Kinder. Sie will sich nicht trösten lassen über ihre Kinder, weil sie nicht mehr da sind…“
Die Kinderstimmen dort sind verstummt – grausam ermordet, entführt, evakuiert.
Mit obigem Vers wird auch in Shavei Zion für die Entführten gebetet. Als wir gestern Abend an der Synagoge vorbeigingen, trafen wir dort auf eine Gruppe Frauen, die zum persönlichen Gebet für die unrechtmäßig gefangen Gehaltenen aufriefen. Namentlich wurden sie vor Gottes Thron gebracht, in der Hoffnung auf die Erfüllung der Verheißung des Versendes: „…So spricht der HERR: Halte deine Stimme zurück vom Weinen und deine Augen von Tränen! Denn es gibt Lohn für deine Mühe, spricht der HERR: Sie werden aus dem Land des Feindes zurückkehren; und Hoffnung ist da für deine Zukunft, spricht der HERR, und deine Kinder werden in ihr Gebiet zurückkehren.“
Im Pflegeheim in Maalot liest die alt gewordene Fr. R. still den Vers, der an der Wand im Vorraum zum Bunker steht: Fürchte dich nicht, spricht der Herr. Ich bin bei dir. – Sie weint nicht mehr. Ihre Tränen sind in Auschwitz versiegt. Hoffnungslos murmelt sie: „Das stimmt nicht. – Er ist nicht hier.“
Auch dieses Gefühl kennt Israel schon seit Jahrtausenden. „Zion sagt: Verlassen hat mich der HERR, der HERR hat mich vergessen.“ (Jes. 49,14)
Verlassen zu sein, Trauer und Angst – diese Emotionen überlagern zurzeit alle Begegnungen. Auch wenn die Medien suggerieren, Israel räche sich erbarmungslos an seinen Feinden – Rache und Hass sind keine Themen in den Gesprächen. Ja, Israel ist im Krieg. Ja, da gibt es zwei Lager, aber da ist auch die Sehnsucht nach Frieden, nach Ruhe, nach Einheit. Ein arabisches Ehepaar aus dem Nachbarort, das seit Jahren zum Shavei Zioner Seniorenkreis gehört, war gestern mit dabei beim Treffen in unserem Garten. Der Großteil der Sanitäter, bei denen wir gestern Blut gespendet haben, sind arabische Israelis. Das ist für uns schwer einzuordnen. Genauso wie auch die Verheißungen Gottes für sein Volk – dass er sie eben nicht vergisst (Jes.49,15.16) – und dann dieses Morden …
Wir sind versucht, vorschnell (geistliche) Erklärungen abzugeben – ist das unsere Aufgabe? Ist das tatsächlich die Hilfe, die Israel jetzt so sehr braucht? Ist das Trost?
In Jesaja 49.22 heißt es weiter: „So spricht der Herr, HERR: Siehe, ich werde meine Hand zu den Nationen hin erheben…und sie werden deine Söhne auf den Armen bringen, und deine Töchter werden auf der Schulter getragen werden“. – Wollen wir solche „Nationen“ sein, die Israel, das jüdische Volk, gerade jetzt auf (Gebets-)Händen tragen und ihre Namen als (Gebets-)Last auf die Schultern nehmen? Lasst uns einander dazu ermutigen.
Beten wir:
- dass wir vor Ort weiter Hoffnungs- und Segensträger sein dürfen.
- Dass v.a. die Mitarbeiter in Maalot viel Gnade und Weisheit haben im Umgang, bei Gesprächen mit den Heimbewohnern.
- Dass unser Herr die sich verlassen Fühlenden seine Anwesenheit spüren lässt.
- Dass wir vor Ort, besonders aber auch in Deutschland erkennen, was unser Herr UNS durch diese Situation sagen möchte. Wo sind wir der Aufforderung nach Fürbitte für sein Volk nicht nachgekommen?
- Dass SEIN Licht diese finsteren Tage erleuchtet und Herzen für IHN öffnet.
- Konkret für die entführten Kinder:
- Kfir (9 Monate), Ariel (4), Ofri (10), Juval (8), Uria (4), Aviv (2), Ras (4), Emma und Juli (3), Emilia (6), Maja (17), Sohar (16), Eres (12), Dafna (15), Ella (8), Ofir (17), Eitan (12), Tal (9), Agas (17), Gal (11), Neve (8), Jahel (3), Noam (12), Juval (11)