
Gerhard Vöhringer war langjähriger Vorsitzender von Zedakah. Nicht umsonst war er bis zum Tag seines Heimgangs am 2. November der Ehrenvorsitzende.
Auf der Schleife des Kranzes bei seiner Beerdigung steht das Wort aus 1. Mose 12,2, das sich in seinem Leben widergespiegelt hat: »Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.«
Mit Gerhard Vöhringer geht ein grundlegender, prägender Abschnitt der Geschichte unseres Werkes und seines Dienstes und Auftrags in Israel und an Israel zu Ende. Gerhard Vöhringer war lange Zeit eine entscheidende, repräsentative Person dieses Dienstes am Volk der Juden, besonders an den Überlebenden der Schoah.
Der offizielle Beginn der Tätigkeit von Zedakah, die in Israel an den überlebenden KZ-geschädigten Juden begonnen wurde, war 1960. Bald darauf gab es Notwendigkeiten zum Bau, zur Renovierung, zum Umbau von Gebäuden, um sie für den Dienst der Liebe und des Trostes an den Juden einsetzen zu können. Der Gründer unseres Werkes, Friedrich Nothacker, tat damals etwas Gewagtes, was man in dieser Form noch nicht von anderen Werken in der weltweiten Missionsarbeit kannte: Er rief junge Leute auf, sich für einen begrenzten Einsatz als Freiwillige zu melden und sich zur Mitarbeit bei einem Projekt senden zu lassen.
So kam 1963 der inzwischen schon legendäre »Erste Bautrupp« unseres Werkes Zedakah zustande. Einige handwerklich begabte junge Männer, aber auch junge Frauen, die ihre Tatkraft willig zur Verfügung setzten, wurden zusammengestellt und als Einsatzgruppe nach Israel entsandt. Mit dabei war auch Gerhard Vöhringer – und er als einer, der nicht wie manche andere erst 18 oder 20 Jahre alt war, sondern in seiner zweiten 20er Hälfte war und damit schon mehr Erfahrung mitbrachte.
Das war der Anfang der Arbeit von Zedakah mit Volontären, die bis heute ein starkes Rückgrat unseres Israelwerkes sind; inzwischen werden jährlich, nach Möglichkeit, 30 bis 35 Volontäre für ein bis zwei Jahre nach Israel entsandt. Im Lauf der nunmehr über 60 Jahre, die seither vergangen sind, wurde daraus eine stattliche Zahl von über 1600 meist jungen Menschen, die sich entsenden ließen.
Dieser Dienst ist ein gelebtes Zeichen der Liebe zum Volk Israel, das wir als lebendige Christen nicht anders als lieben können, weil Gott selbst dieses Volk liebt. Ja, der Hauptgrund für die oft genug umstrittene Erwählung Israels ist die Liebe Gottes zu seinem Volk, das er aus allen Völkern dieser Erde herausgewählt hat, durch das er sich geoffenbart hat als der eine, wahre Gott, der in der Bibel ungezählte Male »der Gott Israels« genannt wird.
Auch wir, die Deutschen, die ursprünglichen Heiden, haben Gottes Wort und das Evangelium der Erlösung Jesu Christi letztlich durch die Hand seines Volkes Israel erhalten. Diese Tatsache, zusammen mit dem ehrlichen Schuldbekenntnis der zurückliegenden deutschen Geschichte mit den teuflischen Untaten und dem Versuch das Nazi-Regimes, Israel auszulöschen, diese beiden Faktoren waren die grundlegenden Beweggründe für die Entstehung unseres Werkes. Und hier waren Gerhard und Rose Vöhringer maßgeblich mit beteiligt.
Nach ihrer Heirat im Jahr 1965 waren Gerhard und Rose die ersten festen Hauseltern unseres Gästehauses für Holocaust-Überlebende in Israel, zunächst im Ort Nahariya in der umgebauten Pension Lido, die den Namen Bet El – Haus Gottes – bekam. Danach waren sie Hauseltern im 1968 neu gebauten Gästehaus in Shavei Zion, das den Namen Beth El übernahm und bis heute Zufluchtsort und Erholungsort für Menschen in Israel ist, besonders aber für die Überlebenden der Schoah.
1969 mussten Gerhard und Rose Vöhringer zurück nach Deutschland kommen. Nachdem der damalige 1. Vorsitzende, Karl Hospodarsch, überraschend und früh verstorben war, übernahm Gerhard Vöhringer diese Stelle und behielt sie bis 2010 inne; anschließend blieb er uns als Ehrenvorsitzender und immer wieder als Berater und Repräsentant unseres Werkes erhalten.
In einem der Freundesbriefe von Zedakah aus dem Jahr 2007 schrieb er: »Wir Christen warten darauf, dass Jesus wiederkommt. Im Vorfeld wollen wir aber nicht untätige Träumer sein, auch keine billigen Vertröster auf eine herrliche Zukunft. Sondern was wir erwarten, das soll unser heutiges Handeln prägen. Wir wollen Versöhnung leben und verkündigen und zu ganzer Hingabe bereit sein.«
Wir sind dankbar und voller Hochachtung für die große Liebe von Gerhard Vöhringer, die aus seiner Haltung zu Israel und seinem tatkräftigen Einsatz für Israel immer wieder aufgeleuchtet ist und für uns zu einem eindrücklichen Beispiel zum Nacheifern geworden ist.
Wir befehlen Rose Vöhringer und die ganze Trauerfamilie dem tiefen Trost und Frieden unseres himmlischen Vaters an!
Martin Meyer, 1. Vorsitzender
