Stimmen aus Maalot

Vor mittlerweile schon sieben Tagen (am 10.10.2023) wurde von den Verantwortlichen einstimmig beschlossen, den Stationsalltag (inkl. Großküche und Speisesaal) auf die Bunkerebene zu verlegen – mit voller Zustimmung der Angehörigen und des Gesundheitsministeriums.

Da es bis heute keine offizielle Anordnung dazu gibt, ist es uns Mitarbeitern freigestellt, ob wir uns in der Freizeit und nachts im Bunker aufhalten möchten – oder auf dem Gelände, bzw. in den eigenen Zimmern, mit der Bereitschaft, uns im Falle eines Alarms schnellstmöglich in Sicherheit zu bringen (Maalot liegt im Null-Sekunden-Bereich).

Nachdem sich die Aufregung der ersten Tage etwas gelegt hat und die neuen Alltagsabläufe »funktionieren«, stehen über allem zwei ungewisse Fragen: »Wie lange?« und: »Wird’s noch schlimmer?«

Offiziellen Angaben zufolge bereitet sich Israel auf schwere Kämpfe über einen langen Zeitraum vor. Ein Zitat aus den Nachrichten vom gestrigen Abend: »Vermutlich müssen wir einen neuen Alltag aufbauen: Leben im Schatten des Krieges«. Was bedeutet das? Für uns?

Im Zentrum der Kämpfe steht in erster Linie das von uns ca. 200 km entfernte Gebiet in und um den Gazastreifen. Trotzdem bleibt ein Auge auf die Nordgrenze zum Libanon gerichtet. Israel hat kein Interesse an einem Zwei-Fronten-Krieg, will aber auf alle Entwicklungen vorbereitet sein und reagiert direkt auf Provokationsversuche und militärische Übergriffe im Grenzgebiet.

Seit gestern werden auch alle Ortschaften, die sich bis zu 2 km von der Grenze entfernt befinden, evakuiert. In Maalot sind wir ca. 10 km von der Grenze entfernt und von diesen Maßnahmen nicht betroffen, doch das Dröhnen der Flugzeuge, Detonationen und Artilleriebeschuss sind unsere tagtäglichen Hintergrundgeräusche.

Wie erleben wir diese Ausnahmesituation ganz praktisch? Hier einige Stimmen:

Stationsleitung: Die Situation unserer Heimbewohner ist gemessen an den Umständen gut, allerdings sehr abhängig von der Stimmung, die wir verbreiten. Die Anspannung äußert sich immer wieder in Unruhe, Passivität, Desorientierung und Albträumen (Flucht vor Terroristen). Bei denen, die die Situation auch kognitiv wahrnehmen, kommt Hilflosigkeit zum Ausdruck. Auf die Worte »der Hüter Israels schläft und schlummert nicht«, reagierte eine Heimbewohnerin mit den Worten: »Er ist doch etwas eingeschlafen« …

Eine Küchenmitarbeiterin: So langsam haben wir uns an den neuen Alltag gewöhnt. Natürlich läuft die ganze Arbeit jetzt unter sehr viel engeren Bedingungen. In den Pausen versuchen wir, »aufzutauchen« und vor dem Haus die Sonnenstrahlen zu genießen, wobei wir immer in Bunkernähe bleiben.

Durch die unmittelbare Nähe unserer »Küche« zur »Station« können uns die Heimbewohner beim Arbeiten zuschauen und wir als Küchenteam bekommen auch direkten Einblick ins Stationsleben. Das ist eine schöne Seite in dieser Situation. So versuchen wir, aus allem das Beste zu machen.

Eine Mitarbeiterin, die zum Kriegsbeginn wegen medizinischer Untersuchungen in Deutschland war, hat nach mehreren Tagen die Entscheidung getroffen, wie es für sie weitergeht: »Nach intensiver Rücksprache mit Gott und auch dem Frieden meiner Eltern und der Verantwortlichen in Israel, habe ich Gewissheit, dass mein Platz auch jetzt dort in Maalot ist.«

Die Entscheidung ist ihr nicht leicht gefallen, aber »am Ende war Gott so deutlich, dass ich jetzt diesen Gehorsamsschritt im Glauben und Vertrauen auf ihn gehen muss. Ich darf drauf vertrauen, dass Gott jeden von uns, inklusive mir, zum richtigen Zeitpunkt an den rechten Ort geführt hat, damit er sich durch uns verherrlichen kann. Gottes tiefen inneren Frieden, den ich seit getroffener Entscheidung erfahren darf, wünsche ich auch euch.«

Die Entscheidung, gerade in dieser herausfordernden Zeit an der Seite Israels und ganz besonders im Dienst an den Heimbewohner zu stehen, wird von den Menschen in unserem Umfeld mit großer Wertschätzung aufgenommen.

Angehörige im Gespräch mit Mitarbeitern: »Wir können nirgends anders hin. Wir haben kein anderes Land – it is hard to be a Jew (es ist schwierig, ein Jude zu sein). Ihr könnt weg, aber ihr bleibt – das bedeutet uns sehr viel. Vielen Dank.«

Auch unsere externen Mitarbeiter leiden unter der schwierigen Lage. Todesopfer im näheren Umfeld sind zu betrauern, Söhne sind zum Reservedienst eingezogen. Manche kommen zu uns ins Haus, um etwas auf andere Gedanken zu kommen, andere haben sich mit den Enkeln evakuiert. Alle bitten konkret um unsere Fürbitte.
Eine Aussage, die vermutlich die meisten von uns unterschreiben können, formuliert ein Technikmitarbeiter: »Ich bin von vielen lieben Menschen umgeben. Ich hab zwischendurch Angst, aber ich fühle mich geborgen.«

Dieses Gefühl der Geborgenheit, trotz aller bedrohlichen und Angst machenden Umstände, trotz aller Ungewissheit, verdanken wir unserem treuen Gott, der uns Frieden schenkt, »der allen Verstand übersteigt«. Er »wird (unsere) Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus« (Philipper 4,7).

Dankbar sind wir auch für eure Gebete, die uns, unsere Heimbewohner und externen Mitarbeiter durch diese schwierige Zeit tragen.

Gemeinsam mit euch beten wir auch für das ganze Volk Israel, für die Soldaten und Sicherheitsleute an vorderster Front, für die 199 Entführten in den Händen der Hamas, für die Entscheidungsträger in Militär und Politik, für die Evakuierten, die Traumatisierten, die Verletzten und Trauernden. Möge SEIN Friede auch ihre Herzen erfüllen.